Capital, Wirtschaft ist Gesellschaft
Wind wird teuer für Stromkunden
22. Jul 2015, Thomas Steinmann
Auch nicht erzeugter Strom kostet Geld: Für die Zwangsabschaltung von Windrädern bei überlasteten Netzen zahlten die Stromkunden 2014 mehr als 100 Mio. Euro. In diesem Jahr wird es sogar noch mehr sein
Die Stromverbraucher haben 2014 so viel für die Zwangsabschaltung von Windrädern bezahlt wie noch nie.
Nach Recherchen von Capital übertrafen die Entschädigungen an die
Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen die Grenze von 100 Mio. Euro – nach
43,7 Mio. Euro im Jahr 2013. Allein die Übertragungsnetzbetreiber Tennet
und 50Hertz, in deren Versorgungsgebiet im Norden und Osten des Landes
der weitaus größte Teil der deutschen Windkraftleistung installiert ist,
zahlten zusammen rund 80 Mio. Euro für nicht ins Netz eingespeisten
Strom. Hinzu kommt ein zweistelliger Millionenbetrag bei den mehreren
Hundert Betreibern der örtlichen Verteilnetze, an die die große Mehrheit
der Anlagen angeschlossen ist.
Die sprunghaft steigenden Kosten für die Abregelung von Windrädern
sind eine Folge des rasanten Ausbaus der regenerativen Energien. „Die
Erneuerbaren drücken ins Stromnetz, und es gibt immer mehr Netzengpässe,
die wir nur entlasten können, indem wir sogar Windkraftanlagen
abregeln“, sagte Tennet-Chef Urban Keussen. Wegen des Einspeisevorrangs
für Grünstrom haben die Eigentümer der Erneuerbaren-Anlagen seit einigen
Jahren Anspruch auf Entschädigung. Die Kosten werden über die
Netzentgelte finanziert, ebenso wie die Kosten für Eingriffe der
Netzbetreiber in die Fahrweise konventioneller Kraftwerke. Am Ende bezahlen die Verbraucher auch für nicht erzeugten Strom.
Stürme führten zu Einspeiserekorden
In etwa neun von zehn Fällen handelt es sich bei den abgeregelten Anlagen um Windräder.
Der Rest entfällt auf Biogas- und Fotovoltaikanlagen. Die Engpässe, die
ein Eingreifen erforderlich machen, können sowohl auf der Ebene der
Übertragungsnetze – der großen Stromautobahnen – auftreten als auch auf
der darunter liegenden Ebene der Verteilnetze, in die die meisten
Erneuerbaren-Anlagen einspeisen.
Tennet-Geschäftsführer Keussen rechnet damit, dass seine Netzmanager in diesem Jahr mehr als 1000 Gigawattstunden Windstrom abregeln müssen.
Das entspricht etwa einem Zehntel der Elektrizität, die ein
mittelgroßes Atomkraftwerk in einem Jahr erzeugt. Auch 50Hertz erwartet
für seine Regelzone in Ostdeutschland einen weiteren Zuwachs an verschenktem Strom.
Entlastung versprechen sich die Betreiber von Netzausbau-Plänen,
die Bund und Länder im Zuge der Energiewende beschlossen haben. „Wir
brauchen dringend neue Stromverbindungen von Nord nach Süd, um den
Windstrom aus Norddeutschland abzutransportieren“, sagte Keussen. Dabei spiele die Südlink-Trasse von Schleswig-Holstein nach Bayern eine wichtige Rolle.
Um die Leitung hatte es monatelangen Streit zwischen Bayern und dem
Bund gegeben. Inzwischen hat die bayerische Landesregierung ihren
Widerstand gegen die Trasse zwar aufgegeben. Wichtige Fragen sind
allerdings noch offen.
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